Der Ausbau von Wasserstofftankstellen geht voran, doch bis zum flächendeckenden Netz ist es noch ein weiter Weg. Eine Bestandsaufnahme zwischen Hindernissen, Herausforderungen und Hoffnung.
Der Ausbau von Wasserstofftankstellen geht voran, doch bis zum flächendeckenden Netz ist es noch ein weiter Weg. Eine Bestandsaufnahme zwischen Hindernissen, Herausforderungen und Hoffnung.
Als Mitte Januar dieses Jahres die Eröffnung der neuesten H2-Tankstelle der Unternehmens-Initiative H2 Mobility im Berliner Stadtteil Neukölln anstand, bezeichnete Geschäftsführer Nikolas Iwan dieses Ereignis als „entscheidend für den weiteren Hochlauf der Wasserstoffmobilität“. Und mit der Einweihung der neuen Station setzte das Betreiberkonsortium in der Tat ein neues Ausrufezeichen: Mit einer Ausgabemenge von bis zu 850 Kilogramm Wasserstoff pro Tag sei die Tankstelle in der Bundeshauptstadt „eine der leistungsfähigsten Stationen ihrer Art in Europa“, verkündete man bei der Eröffnung stolz. Bussen, LKW, PKW und leichten Nutzfahrzeugen stehe die Zapfanlage auf dem Gelände einer Shell-Tankstelle am Tempelhofer Weg nun jederzeit zur Nutzung bereit.
Allerdings, so ehrlich war H2 Mobility, sei eine derart leistungsstarke Anlage für die aktuellen Verhältnisse überdimensioniert. Im Hinblick auf die „derzeit immer noch überschaubaren Zulassungszahlen von Brennstoffzellenautos“ wäre die Investition in die überaus leistungsstarke Anlage „vermutlich nicht nötig gewesen“, so die Ansicht des Konsortiums. Dass man die Errichtung dennoch vorangetrieben hat, liege an der Tatsache, dass man vor Ort einige Großkunden habe gewinnen können.
So werde etwa die Berliner Stadtreinigung die Tankstelle mit brennstoffzellenbetriebenen Müllfahrzeugen genauso ansteuern wie auch der Mobilitätsanbieter H2 move Berlin mit seiner Fahrzeugflotte. Und im Laufe des Frühjahrs 2023 sollen erste Wasserstoff-Lkw verschiedener Kunden des Vermieters Hylane hinzukommen. Und generell: „Nirgendwo sonst“ wachse das Aufkommen von H2 -Fahrzeugen derzeit ähnlich schnell wie in der Bundeshauptstadt.
Feste Abnahmeverträge als Bedingung für den Bau einer H2 -Station: Hier wird das klassische Henne-Ei-Problem deutlich, vor dem Betreiber wie H2 Mobility stehen: Gibt es zu wenige Abnehmer, lohnt sich der Bau einer Zapfanlage nicht. Gibt es umgekehrt zu wenige Zapfanlagen, finden Brennstoffzellen-Fahrzeuge keine Käufer. „Für uns ist die größte Herausforderung, dass wir mit der Infrastruktur in Vorleistung gehen. Wir bauen sie also, bevor der Markt tatsächlich da ist“, sagte auch eine Sprecherin des Unternehmens im Dialog mit dem EID.
Vor allem schwere Nutzfahrzeuge mit H2-Antrieb
Zahlen des Kraftfahrt-Bundesamts (KBA) zufolge werden in Deutschland derzeit jeden Monat durchschnittlich um die 35 Brennstoffzellen-Pkw neu zugelassen. Ihre Gesamtzahl im Bestand ist mit 2.027 Fahrzeugen (Stand Januar 2023) dennoch so gering, dass sie in Visualisierungen im Vergleich zu anderen alternativen Antriebsarten nicht einmal sichtbar sind. Zuwächse – wenn auch moderate – gibt es derzeit vor allem bei Bussen; sie ragen bei den Gesamtzulassungszahlen für einzelne Monate zumindest hin und wieder etwas hervor. Bis zum 1. Januar 2023 zählte das KBA 68 H2-Busse im Bestand – 2022 wurden 15 Exemplare neu zugelassen, 2021 waren es fünf, 2020 zwei und 2019 gar keine.
Auch H2 Mobility konzentriert sich zunächst auf den Bereich der Busse und LKW; sie bilden das zurzeit am schnellsten wachsende Marktsegment. Diese Fahrzeuge können mit 350 bar befüllt werden und sind regional unterwegs, das heißt sie legen pro Tag zwischen 200 und 400 Kilometer zurück.
„Wir sehen das größte Wachstumspotenzial für Wasserstoff in der Mobilität in den nächsten fünf Jahren im Bereich der regionalen Mittelstreckenverkehre für den Transport von Gütern und Personen“, erklärte die Unternehmenssprecherin gegenüber dem EID. Doch auch bei PKW und leichten Nutzfahrzeugen werde die Brennstoffzelle langfristig einen „signifikanten Marktanteil“ einnehmen, zeigte sie sich überzeugt. Für die nächsten Jahre rechne man schließlich mit einem erweiterten und weitaus größeren Angebot an Brennstoffzellenfahrzeugen und -Modellen durch verschiedene Fahrzeughersteller.
Projekt Dekarbonisierung der Mobilität
Wasserstoff ist neben der Batterie-Elektromobilität und synthetischen Kraftstoffen eine der Möglichkeiten, wenn es um die Dekarbonisierung der Mobilität geht. Derzeit nehme man eine „globale Dynamik“ wahr, konstatierten etwa die Marktforscher von Information Trends aus den USA. In einer aktuellen Auswertung des Instituts kamen sie zu dem Ergebnis, dass es weltweit inzwischen mehr als 1.000 Bezugspunkte für Wasserstoff im Bereich Mobilität bei zugleich starkem Wachstum gibt.
Immer mehr Nationen forcieren das Thema Wasserstoff zur Deckung des eigenen Energiebedarfs – besonders in Asien. So entfällt etwa ein Drittel aller weltweiten Installationen an Wasserstoff-Tankstellen aktuell auf China. Platz zwei geht demnach an Japan, dann folgt Südkorea. Auch Australien, Neuseeland und Indien sind vorne mit dabei. In Deutschland gibt es je nach Quelle und Zählweise aktuell rund 100 Zapfpunkte für Wasserstoff.
Drei davon kamen erst in jüngster Zeit hinzu: Unter Anleitung von H2 Mobility wurden Stationen am Kirchheimer Dreieck (Hessen), in Wesseling (NordrheinWestfalen) oder auch in Freiburg (BadenWürttemberg) in Betrieb genommen. Doch auch andere Anbieter, etwa GP Joule aus Norddeutschland, mischen mit. Das Erneuerbaren-Unternehmen hat vor zwei Jahren in Niebüll (Schleswig-Holstein) seine erste öffentliche Wasserstoff-Tankstelle errichtet und plant für die kommenden zwei Jahre weitere Installationen, etwa in Kiel und Bremerhaven. Auch in Husum steht bereits eine Anlage.
„Uns ist es wichtig, erneuerbare Energie sichtbar zu machen. Wenn man zeigen kann, dass der Strom, der vor Ort erzeugt wird, dazu führt, dass man mit dem Auto emissionsfrei unterwegs ist, dann macht das etwas mit den Menschen“, sagte André Steinau, Geschäftsführer von GP Joule Hydrogen – der Wasserstoff-Einheit des Unternehmens – im Gespräch mit dem EID. Auch im Hinblick auf die Akzeptanz des Baus neuer Erzeugungsanlagen sei das wichtig. Die H2-Tankstellen in Nordfriesland würden die Menschen bereits dazu bewegen, eigene Fahrzeuge anzuschaffen, so Steinau. „Es ist ein Thema am Frühstückstisch.“
„Alle Energie sinnvoll nutzen“
Doch auch für die eigenen Zapfanlagen gehe es derzeit nicht ohne feste Abnahmepartner. „Wir sind heute auf die ersten, agilen Unternehmen angewiesen, die bereit sind, in eine Brennstoffzellen-Flotte zu investieren“, so der Experte im EID-Interview. Aus diesem Grund könne der schwere Nutzfahrzeugverkehr heute als Haupttreiber für den Ausbau des Tankstellennetzes für Wasserstoff angesehen werden. Nicht zuletzt können perspektivisch aber auch PKW mit Brennstoffzellen-Antrieb an den Stationen tanken, stellte Steinau klar.
„Die Kopplung von Energie und Mobilität ist für uns das zentrale Thema“, so Steinau. „Letztere muss sich eng mit dem Energiesystem vernetzen, damit die anfallende Energie aus Wind und Sonne möglichst vollständig genutzt wird.“ In Zeiten mit hohem Windertrag – was besonders in Norddeutschland der Fall ist – müssen Anlagen durch den Elektrolyse-Einsatz nicht aus dem Wind gedreht werden, sondern können zur H2 -Produktion eingesetzt werden. „Deshalb bauen wir unser Tankstellennetz aus, um alle Energie sinnvoll zu nutzen“, so der Energieexperte.