Wasserstoff muss nach Ansicht von Europäischem Parlament und EU-Kommission eine wichtige Rolle spielen, wenn die europäische Wirtschaft und Gesellschaft bis 2050 „klimaneutral“ werden soll.
In der Stellungnahme des Parlaments zur EU-Wasserstoffstrategie wird dieses wohl den Standpunkt vertreten, dass aus erneuerbarer Energie erzeugter („grüner“) Wasserstoff langfristig die einzige Möglichkeit ist, die Dekarbonisierung auch im Verkehr zu schaffen. Das zeichnet sich ab, nachdem der federführende EP-Industrieausschuss über Änderungsanträge zum Parlamentsbericht abgestimmt hat. Die Schlussabstimmung im Ausschuss findet am Montag statt. Das Votum im Plenum ist im April oder Mai geplant. „Wasserstoff aus erneuerbaren Energien ist ein wichtiger Schlüssel zur Energiewende in der EU, weil er deutlich zur Klimaneutralität beiträgt - im Gegensatz zu Wasserstoff, der mit niedrigen Emissionen produziert wird“, sagte Jens Geier, Vorsitzender der SPD-Gruppe im Europaparlament, der die Arbeit an der Stellungnahme als Berichterstatter maßgeblich betreut.
Fehlinvestitionen in nicht nachhaltigen Wasserstoff müssten vermieden werden, hält der Industrieausschuss fest. Allerdings werde „kurz- bis mittelfristig“ auch mit niedrigem Kohlenstoffausstoß erzeugter Wasserstoff (Low Carbon) gebraucht. „Nur mit der geringen Produktion von Wasserstoff aus erneuerbaren Energien allein werden wir nicht schnell genug einen funktionierenden Markt schaffen“, sagte die CSU-Europaabgeordnete Angelika Niebler.
Besonders für Verkehrsträger wie See- oder Binnenschiffe, wo Wasserstoff noch nicht zu wettbewerbsfähigen Preisen eingesetzt werden könne, seien Brückentechnologien nötig, heißt es in der Stellungnahme des mitberatenden Verkehrsausschusses zur EU-Wasserstoffstrategie. Diese wird sich allerdings nicht vollständig in der Stellungnahme des gesamten Parlaments wiederfinden.
In der Schifffahrt setzen die Abgeordneten auf Flüssigerdgas (LNG) und komprimiertes Erdgas (CNG) als Übergangslösungen. Durch den Einsatz von LNG würden weniger CO2 und Stickoxide freigesetzt als durch herkömmliche Schiffstreibstoffe, heißt es in der Stellungnahme. LNG-Schiffe und -Infrastruktur könnten später für Biogas umgerüstet werden, es sei deswegen wichtig, neben Wasserstoff auch Bio-LNG zu fördern. Zu achten sei allerdings darauf, dass man nicht dauerhaft bei fossilen Kraftstoffen hängenbleibe und keine Investitionen in den Sand setze.
In großen Flugzeugen streben die Europaabgeordneten langfristig wasserstoffgetriebene Brennstoffzellenantriebe oder Düsenantriebe an. Kurz- und mittelfristig könne Wasserstoff die Basis für synthetisches Flugbenzin sein, das dem Treibstoff beigemischt werden könne. Die EU-Kommission soll Anreize für den Einsatz synthetischer oder sonstiger umweltfreundlicher Treibstoffe setzen und, wenn diese in ausreichender Menge verfügbar sind, eine Beimischungsquote festlegen, fordert der Verkehrsausschuss.
Der beste Weg zur Dekarbonisierung im Verkehr sei die Drosselung des Verbrauchs und der Antrieb durch Strom, der direkt aus erneuerbaren Energiequellen erzeugt wird, heißt es im Input des Verkehrsausschusses. Wasserstoff soll vorrangig dort eingesetzt werden, wo das technisch schwierig ist: etwa in schweren Lkw, Flugzeugen und Schiffen.
Die Mehrheit des Industrieausschusses betont, dass die Wasserstoff-Infrastruktur schnell ausgebaut werden muss. „Darin müssen die EU-Mitgliedsstaaten nun investieren. Ansätze für die Nachfrageseite sowie internationale Partnerschaften sind nötig, um einen Markt für Wasserstoff zu schaffen“, sagte Jens Geier. Als Möglichkeiten, die Nachfrage zu steigern, sehen die Abgeordneten etwa die Festlegung von Nutzungsquoten oder Ausgleichszahlungen, wenn der Preis über dem Emissionshandelspreis für den CO2-Ausstoß liegt. Der Ausschuss fordert auch eine koordinierte Investitionsstrategie für Wasserstoff und erneuerbare Energieträger.
Die EU-Kommission hat in ihrer Wasserstoffstrategie vom Juli 2020 das Ziel formuliert, den Anteil von Wasserstoff am EU-Energiemix von derzeit etwa 2 Prozent auf 13 bis 14 Prozent im Jahr 2050 zu steigern. Dabei soll ein dreistufiger Ansatz verfolgt werden. Bis 2024 sollen demnach in der EU Kapazitäten entstehen, um 1 Million Tonnen „grünen“ Wasserstoff zu produzieren und die Herstellung von „blauem“ und „grauem“ Wasserstoff (teils aus fossilen Energieträgern) klimafreundlicher zu machen, etwa indem Kohlendioxid bei der Herstellung abgeschieden und unterirdisch gespeichert wird.