Die niederländische NGO Transport & Environment (T&E) hat eine neue Studie zu den Gesamtbetriebskosten (TCO) von alternativ angetriebenen Fernverkehrs-Lkw in Deutschland veröffentlicht. Dem Papier zufolge könnten Oberleitungs-Lkw bereits vor Mitte der 2020er Jahre, rein batterieelektrische Lkw Mitte der 2020er Jahre und Brennstoffzellen-Lkw um das Jahr 2030 die Kostenparität zum Diesel erreichen.
Werden die richtigen politischen Rahmenbedingungen gesetzt, könnten die Elektro-LKW bereits 2024 und die Brennstoffzellen-Trucks kurze Zeit später auf der Kostenseite mit dem Diesel gleichziehen. Dabei geht die Studie von einer Mindestreichweite der Fahrzeuge von 800 Kilometern aus. Diese Annahme basiert darauf, dass rund 76 Prozent der in Deutschland absolvierten Lkw-Touren Einzelfahrstrecken sind.
Um den Straßengüterverkehr vollständig zu dekarbonisieren, müsste der Lkw-Fernverkehr laut T&E mit Strom aus erneuerbaren Quellen betrieben werden – entweder direkt oder indirekt über strombasierte Kraftstoffe. Für einen fairen Vergleich wurden alle technischen Ansätze unter der Voraussetzung verglichen, dass sie mit Strom aus erneuerbaren Quellen betrieben werden und somit aus Well-to-Wheel-Sicht als emissionsfrei beziehungsweise CO2-neutral angesehen werden können. Es wurden fünf Fahrzeugtechnologien untersucht:
Die Studie kommt zu dem Schluss, dass unter den heutigen Annahmen, den zu erwartenden Marktentwicklungen und den absehbaren technisch bedingten Kostensenkungen batterieelektrische Fernverkehrs-Lkw und Oberleitungs-Lkw wahrscheinlich der kostenwirksamste Weg sein werden, um den allergrößten Teil der heutigen dieselbetriebenen Fahrzeugflotte zu ersetzen und schließlich bis 2050 null Well-to-Wheel-Treibhausgasemissionen (THG) im Straßengüterverkehr zu erreichen.
Die unterschiedlichen Antriebstechniken weisen unterschiedliche Umwandlungsverluste auf und benötigen daher auch unterschiedliche Mengen an zusätzlichem erneuerbaren Strom. Die direkte Elektrifizierung von Lkw ist laut dem Papier auch in Zukunft mindestens doppelt so effizient wie der Einsatz von Wasserstoff, der mit Hilfe erneuerbarer Energien gewonnen wird. Das Potenzial im Vergleich zu Verbrennungsmotoren, die mit synthetischen, kohlenstoffbasierten Kraftstoffen (E-Fuels) betrieben werden, ist sogar dreimal so hoch.
Unter der Annahme, dass die Lkw-Flotte in Deutschland 2050 klimaneutral betrieben wird, würde die direkte Elektrifizierung rund 46 Prozent der grünen Nettostromerzeugung des Jahres 2020 erfordern. Bei der Wasserstofftechnik läge dieser Wert bereits bei 75 Prozent und bei den E-Fuels bei 100 (Flüssigkraftstoffe) beziehungsweise 106 Prozent (gasförmige Kraftstoffe).
Die Kosten für erneuerbare Energien sind eines von mehreren Kostenelementen, die nach Aussagen von T&E zu berücksichtigen sind. Unter Berücksichtigung aller Kosten für Fahrzeuganschaffung, Betrieb und Infrastruktur sowie von Steuern, Abgaben, Mautgebühren und aktuellen Fördermitteln sind Elektro- und Oberleitungs-Lkw in den meisten Szenarien die kostengünstigste Option.
Brennstoffzellen-Lkw mit größeren Reichweiten sind möglicherweise besser für Einzelfahrstrecken über 1.200 km und mehr geeignet. Allerdings machen diese Fahrten nur 11 Prozent der gesamten Straßengüterverkehrsaktivität in Deutschland aus. Daneben sind auch Nischenanwendungen denkbar, bei denen mögliche Reichweiten- und Kostenvorteile von Wasserstoff-Lkw zum Tragen kommen könnten – zum Beispiel bei Schwerlast- und Spezialtransporten. In und um Seehäfen könnten Wasserstoff-Lkw auch einen Betriebs- und Kostenvorteil bei der Zu- und Abfuhr von Gütern bieten. Insbesondere die Synergieeffekte mit der Seeschifffahrt könnten dies begünstigen.
Letztendlich wird die wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit der einzelnen Antriebstechniken davon abhängen, wie sich ihre Skaleneffekte im kommenden Jahrzehnt entwickeln werden. Aufgrund des verstärkten Ausbaus der Produktionszahlen im Pkw-Segment werden Fahrzeugbatterien günstiger werden. Dies dürfte bald auch auf das Segment der städtischen und regionalen Lkw-Verteilerverkehre und anschließend auf den Lkw-Fernverkehr übergreifen.
Der Straßengüterverkehr ist eine Branche, die sowohl Regulierung als auch beträchtliche Anreize erfordert, damit emissionsfreie Alternativen möglichst schnell die Kostenparität mit konventionellen Diesel-Lkw erreichen können. Die Bundesregierung sollte sich laut der T&E-Studie auf eine wirksamere Regulierung sowohl auf nationaler als auch auf EU-Ebene sowie auf gezielte Finanzierungsanreize für emissionsfreie Lkw und die dazugehörige Infrastruktur konzentrieren.
In Deutschland können Güterverkehrsunternehmen bisher Zuschüsse von bis zu 40.000 Euro pro emissionsfreiem Lkw erhalten. Das deckt maximal 40 Prozent der Investitionsmehrkosten pro Fahrzeug ab. In diesem Sommer soll die Förderung auf 80 Prozent der Investitionsmehrkosten angehoben werden. Dafür soll ein Gesamtfördervolumen von 1,16 Mrd. Euro bis 2023 zur Verfügung stehen. Die beihilferechtliche Genehmigung seitens der EU steht allerdings noch aus.
Laut der anstehenden Novelle der Eurovignetten-Richtlinie, die derzeit verhandelt wird, wird Deutschland voraussichtlich ab 2023 eine CO2-Spreizung der Infrastrukturabgabe der Lkw-Maut einführen. T&E empfiehlt in diesem Zusammenhang, die derzeitige Befreiung von emissionsfreien Fahrzeugen von der Infrastrukturabgabe bis 2025 beizubehalten und danach auf 75 Prozent im Vergleich zu Fahrzeugen der CO2-Emissionsklasse 1 zu reduzieren.
Darüber hinaus sollte Deutschland einen Aufschlag für externe Kosten der CO2-Emissionen in Höhe des doppelten Referenzwertes erheben, was einem CO2-Preis von 200 Euro pro Tonne entspricht. Im Rahmen der Überarbeitung der Lkw-Maut dürfte eine Erstattungsregelung eingeführt werden, um eine Doppelbelastung zu vermeiden.
In diesem Zusammenhang stellt T&E eine weitere wichtige Forderung auf: Deutschland müsse die derzeitige Mautbefreiung für Gas-Lkw sofort beenden, um nicht weiter gegen EU-Recht zu verstoßen. Bei der CO2-Differenzierung werden Gas-Lkw von einer Mautermäßigung auf die Infrastrukturabgabe profitieren, allerdings erst ab 2023. Bis zum Inkrafttreten der CO2-Differenzierung muss für Euro-VI-Gas-Lkw die gleiche Maut wie für Euro-VI-Diesel-Lkw erhoben werden, um der aktuellen Eurovignetten-Richtlinie zu entsprechen, deren Novellierung kurz vor dem Abschluss steht.
In Kombination mit der geplanten Überarbeitung der Kaufprämie hätte dies erheblichen Einfluss auf die Gesamtbetriebskosten (TCO). Durch die Erhöhung des Fördersatzes der Anschaffungsbeihilfe auf 80 Prozent der Investitionsmehrkosten, die Erhöhung der Beihilfeobergrenze auf 60.000 Euro und die Überarbeitung der Lkw-Maut könnten Elektro-Lkw möglicherweise schon 2024 und Brennstoffzellen-Lkw kurze Zeit später die Kostenparität mit fossilen Diesel-Lkw erreichen.